„Wo ist deine Schwester schon wieder?“

„Ich weiß es nicht, ich glaube draußen mit ihren Freundinnen

„Hol sie! Ich will nicht, dass sie alleine draußen herumläuft, sie soll heimkommen!
Sie hat draußen nichts mehr verloren!“

„Ich will nicht, lass sie doch, sie ist doch nur mit ihren Freundinnen unterwegs…“

„Nein das geht nicht. Du gehst sofort los und bringst sie nach Hause.
Es ist nicht gut für Mädchen, so viel alleine draußen zu sein!“

„Ja, ok, ich geh ja schon und such sie…“

Die Heroes im Einsatz
Drei HEROES mit ihren Trainern

Brave Mädchen bleiben zuhause

Dialoge wie diese sind für die HEROES, junge Burschen zwischen 16 und 23 Jahren, Alltag. Sie kennen den familiären Druck, für die Erhaltung der Ehre der Familie zuständig zu sein aus ihrem eigenen Leben. Denn in Ehrkulturen wie beispielsweise der Türkei ist es oft Aufgabe der Brüder, die Ehre der Familie zu erhalten. Diese ist eng verknüpft mit dem Verhalten der Frauen, vor allem der jüngeren. Nach ihrem Verständnis sollen  Mädchen am besten die meiste Zeit zu Hause verbringen und  ihren Eltern und Brüdern gehorchen. Zu viel Eigenständigkeit wird nicht gerne gesehen. Nachwievor ist das ist die Realität in vielen Familien aus Ehrkulturen, auch in Österreich im 21. Jahrhundert.

Als Täter geboren?

Wie damit umgehen? Junge Männer aus Ehrkulturen sofort abstempeln und wie angehende Unterdrücker behandeln? Wegschauen und die Unterdrückung von Frauen als kulturelle Gegebenheit hinnehmen? Das Projekt HEROES geht einen anderen Weg. Junge Männer erhalten eine theaterpädagogische Ausbildung und setzen sich in wöchentlichen Treffen mit Themen wie Rassismus, Identität, Ehre, Geschlechterrollen, Menschenrechte und Gleichberechtigung auseinander. Aus ihren Alltagserfahrungen machen sie Theaterstücke. Die Szene am Anfang ist ein Beispiel dafür. Damit gehen sie in Schulen und Jugendzentren um diese Themen anderen Jugendlichen näher zu bringen. Durch das Schauspiel schaffen sie es, komplexe Themen aus der Theorie in die Erfahrungswelt der Jugendlichen zu übersetzen. Angeregt durch die gesehen Szenen diskutieren alle mit und gehen am Ende mit einem erweiterten Horizont aus der Klasse. Das Angebot, mit Gleichaltrigen ohne moralisierende Einwürfe durch Lehrpersonal zu sprechen, nehmen Jugendliche gerne an.

Der Wandel im Kopf

Der Ansatz von HEROES ist arbeitsaufwändig und zeitintensiv, stößt aber echte Veränderungen in den Köpfen junger Menschen an. Er geht weg von der Idee, dass Frauen alleine für ihre Emanzipierung zuständig und Männer von vorneherein angehende Täter sind. Vielmehr ist es durch die emotionale Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensrealität möglich, einen Wandel in den Köpfen und vor allem der Herzen der jungen Männer zu erzeugen.

Frauengewalt in Österreich

So zentral die Debatte um Gewalt und Unterdrückung im Namen der Ehre für die Emanzipation der Frauen ist, oft wird sie instrumentalisiert, um Gewalt an Frauen als „externes“ Problem außerhalb Österreichs zu sehen. Weibliche Unterdrückung gilt dann als Merkmal bestimmter Kulturen und Länder und wird höchstens nach Österreich „importiert“, ist aber nie  ein internes Problem. Diese Argumentationsstrategie macht Gewalt an Frauen in Österreich faktisch unsichtbar, dabei ist das Gegenteil der Fall.

Der Partner als Täter

Der Grad der feministischen Entwicklung einer Gesellschaft hat eine Auswirkung auf die Lebensrealität von Frauen, patriarchale Strukturen ziehen sich jedoch nach wie vor wie ein roter Faden durch die österreichische Gesellschaft. Es sind in erster Linie immer Männer, die Gewalt gegen Frauen verüben, egal welcher Herkunft, Hautfarbe und Religion. In der Regel kennen die Frauen die Täter gut, sie befinden sich in ihrem nächsten Umfeld, sind ihre Brüder, Väter und Ehepartner. Jede 3. Frau in Europa hat bereits psychische Gewalt durch ihren aktuellen oder ehemaligen Partner erfahren.

Medien machen Meinung

Die mediale Darstellung spricht dagegen meistens eine andere Sprache. Öffentliche Orte wie Parks, Straßen und Tiefgaragen gelten als gefährliche Orte für Frauen, während das Zuhause als trautes sicheres Heim stilisiert wird. Nichts könnte ferner der Realität sein. Die Gefahr, im familiären Umfeld oder Bekanntenkreis Opfer eines sexuellen Übergriffes zu werden, ist viel höher als durch fremde Personen.  Hinzu kommt, dass Begriffe wie „Familiendrama“ oder „Beziehungstat“ die strukturelle Gewalt, die Männer in allen Bevölkerungsschichten an Frauen ausüben, verschleiern und als Privatsache oder Einzelfall hinstellen.

Die Veränderung sind wir

Es ist an der Zeit, diese verklärenden Begriffe hinter sich zu lassen und Gewalt an Frauen als das zu erkennen, was es ist: weder Frauensache noch Privatsache – sondern strukturell in patriarchalen Strukturen verankert. Es ist somit die Aufgabe aller Menschen in einer Gesellschaft, diese Strukturen richtig zu benennen, aufzuzeigen und umzuwandeln, um Frauen ein sicheres Leben frei von Gewalt zu ermöglichen.

verfasst von Elisabeth Feldbacher, Bildungsreferentin AAI

Reflexion zur Podiumsdiskussion  „Gefährliche Orte – gefährdete Körper“ am 3. Dezember 2018 im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen

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