Eine Buchrezension von Elke Giacomozzi, MA

Überall wird über Werte diskutiert, gefachsimpelt und reflektiert. Gerade in der öffentlichen, politischen Diskussion werden Werte, die uns in der westlichen Welt, in Europa, in Österreich zusammenschweißen, dermaßen oft und schnell als Vorwand zur Abgrenzung verwendet, dass wir uns dringend die Frage stellen sollten: von welchen Werten ist jetzt eigentlich die Rede? Vom Gefühl her scheint es sich um ewig gleiche, Sicherheit und Verbundenheit stiftende Werte zu handeln. Aber welche Werte werden dazu gezählt, welche nicht und wer entscheidet das?

Wenn wir uns genauer mit der Wertediskussion beschäftigen, dann wird klar, die Diskussion führt ins Uferlose. Kaum glaubt man etwas festgemacht zu haben, verschwimmt es schon wieder, wird unklar und unscharf. Ich frage mich die ganze Zeit: wie lösen diejenigen dieses Dilemma, welche die allseits „hochgepriesenen“ Werteschulungen für MigrantInnen  mit Inhalt füllen? Leicht haben sie es dabei wohl wirklich nicht. Einer, der sich ebenfalls mit Werten auseinandergesetzt und nun ein neues Buch mit dem Titel „Meisterwerte“ geschrieben hat, ist der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich.

 „Alles dreht sich um Werte. Sie werden von Politikern herbeizitiert, gerne bekennt man sich zu ihnen in der Konsumwelt, in der politischen Aktionskunst, beim Wohnen, beim Essen und im Fitnesskult. Wolfgang Ullrich nimmt die Karriere der Werte in verschiedenen Bereichen unter die Lupe. Seine These: Sich zu Werten zu bekennen ist so beliebt, weil es dem Selbstbewusstsein schmeichelt. Man darf sich dann moralisch gut und sogar kreativ fühlen. Ullrich untersucht, wie Werte im Einzelnen in Szene gesetzt werden. Aber er fragt auch, wie sich gesellschaftspolitische Debatten unter diesen Vorzeichen entwickeln. Verkümmert nicht jegliche Streitkultur, wenn jeder individuell damit beschäftigt ist, sich im Namen von Freiheit, Nachhaltigkeit oder Sicherheit zu profilieren? Nicht zuletzt erörtert Ullrich die Rolle politischer Parteien in einer Zeit, in der der Plural an Werten für viele Menschen attraktiver ist als der Singular einer Weltanschauung oder eines Programms.“*

Ullrich setzt unsere „Meisterwerte“ vorrangig in Bezug zur Konsumwelt, in der wir uns bewegen. Er tappt dabei notgedrungener Weise in die Falle der „Privilegiertenlogik“: Klammert er bewußt(?) doch aus, dass eben nicht alle privilegiert genug sind, ihre Werte durch und über den Konsum definieren und leben können. Sei’s drum, das Buch ist es wert, gelesen zu werden, auch wenn es unmöglich scheint, allein aus der Konsumperspektive alle Antworten finden zu können, nach denen in einer seriös geführten Wertedebatte gesucht wird. Denn die Werte, welche unsere Gesellschaft ausmachen, sind vielfältig und vielschichtig und reichen teilweise länger zurück als zum Beginn des Kapitalismus und der Konsumkultur.

*(aus dem Klappentext)

 

Wolfgang Ullrich, Wahre Meisterwerte – Stilkritik einer neuen Bekenntniskultur

Sachbuch. 2017, 176 Seiten, Verlag Wagenbach 2017

ISBN 978-3-8031-3668-8

 

Verschlagwortet mit

Kommentar verfassen