Indien ist eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit und beherbergt 17,7 Prozent der weltweiten Bevölkerung. Die Lebenserwartung von Frauen beträgt 71,8 Jahre, die von Männer 69,2 Jahre (worldometer.info).
In Indien spricht man über 400 Sprachen und lokale Dialekte, 22 davon sind von der Verfassung als offizielle Landessprache anerkannt. Hindi ist im Norden weit verbreitet. Im Süden hingegen werden Tamil, Telugu, Kannada und Malayalam gesprochen (mapsofindia.com). Religion spielt eine große Rolle in allen Landesteilen. Der Hinduismus ist die größte Religion mit ca. 80 Prozent Anhänger*innen, gefolgt vom Islam und dem Christentum (mapsofindia.com).
Die reiche Kultur, die diversen Sprachen, unterschiedlichen Religionen, aber vor allem der immer stärker spürbare Klimawandel, bringen große Herausforderungen mit sich. Wärmere Temperaturen, stürmische Regenfälle, lange Hitzeperioden und extreme Wetter-Events wie Überflutungen oder Zyklone werden immer häufiger. Vor allem die ärmsten Menschen sind am verwundbarsten und werden besonders hart getroffen.


Ein Bericht aus einer südindischen Region im Bundesstaat Tamil Nadu
Die Region Manapparai, im Bundesstaat Tamil Nadu (ungefähr fünf Stunden südlich der Millionenstadt Chennai) ist eine dieser Gegenden wo sich das Klima über die letzen Jahrzehnte hinweg sehr stark verändert hat. Früher hat der wasserspendende Monsun ausreichend Wasser in die Region gebracht um Flüsse, Seen und Brunnen zu füllen. Durch das hohe Aufkommen von Regenwasser hatten die Menschen auch während der Sommermonate ausreichend Wasser zur Verfügung.
Jesu, der Leiter der indischen Organisation COPE-Trust, erzählt mir von seiner Kindheit. “Die Felder waren saftig grün, der Reisanbau florierte, Seen und Flüsse hatten genügend Wasser und überall gab es reich bestückte Kokosnusspalmen.” Heute ist die Situation anders. Die Region wird immer trockener, die Felder sind braun, vertrocknet und die terrakottafarbene Erde ist ganz hart. Flüsse und Seen versiegen, viele Pflanzen sterben und die Vegetation verändert sich sehr stark. Die als sehr beständig geltende Kokosnusspalme ist in vielen Gegenden dem trockenen Klima zum Opfer gefallen.


Drei Frauen erzählen
Lawrence wohnt in einem der Dörfer in dieser Region und berichtete von ihrer großen Reis- und Kokosnuss-Farm, die sie vor zehn Jahren mit ihrer Familie führte. Die ganze Familie hatte ein gesichertes Einkommen. Vor einigen Jahren mussten sie die Plantage aufgeben, da das Wasser für die Bewässerung fehlte. Heute besitzt sie drei Kühe. Der Verkauf der Milch bringt ihr nun etwas Einkommen. Ihr Mann ist Lastwagenfahrer.
Das Einkommen reicht jedoch nicht aus, um ihre Kinder zur Schule zu schicken. Deswegen wird die Familie vom Österreichischen Entwicklungspolitischen Verein COPE finanziell unterstützt. Wie Lawrence konnten früher viele Menschen in der Region durch ihre eigene Landwirtschaft das Leben bestreiten. Seit der Regen ausbleibt sind die Erträge oft eingebrochen und viele Menschen sind gezwungen ihre Arbeit als Bauern und Bäuerinnen aufgeben. Außerdem bleibt ihnen oft nichts anderes übrig als ihre Tiere zu verkaufen, da sie diese nicht mehr ausreichend ernähren können.
Jene, die keine Zukunft mehr in ihrem Zuhause sehen, migrieren in die Städte und suchen nach Arbeit um weiterhin ihre Familien ernähren zu können. Vor allem Männer versuchen ihre Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit mit Alkohol zu bekämpfen. Dies resultiert in innerfamiliären Konflikten, da sich die Frauen und Kinder oft nicht mehr sicher fühlen.
Die Dorfbewohnerin Samanasumary erzählte mir, dass ihr Ehemann alkoholabhängig ist und dass sie großteils alleine für das Einkommen der Familie aufkommt. Zudem kümmert sie sich um die Kinder und verrichtet die Hausarbeit. Ihr hart erarbeitetes Geld muss sie verstecken, da ihr Mann sie oft bestiehlt, um an Geld für Alkohol zu kommen.
Während der Sommermonate ist die Situation in den Dörfern der Region besonders schwierig, da hier viele Brunnen oft gänzlich austrocknen. Eine weitere Dorfbewohnerin, Ratinamary erzählt mir, dass sie eine Stunde am Tag die Möglichkeit hat, Wasser von einer Leitung im Dorf zu holen. Jedoch fließt das Wasser sehr langsam und die Menge ist am Ende oft nicht ausreichend um die Grundbedürfnisse einer Familie zu erfüllen.

Warum herrscht in Indien Dürre und Wasserknappheit?
Durch das sich wandelnde Klima hat sich der Monsun, der normalerweise immer von Oktober bis Mitte Dezember ausreichend Wasser in die Region gebracht hatte, verändert. Früher hat das Wasser der Monsunmonate über das ganze Jahr für die Menschen ausgereicht. Heute ist der Monsun in vielen Teilen des Landes nur sehr schwach oder bleibt sogar ganz aus und ist somit eines der Hauptgründe, warum in der Region und vielen Teilen des Landes Wasserknappheit und Dürre herrscht. Neben dem geringen Regenfall gibt es jedoch noch zahlreiche andere Gründe warum Indien immer trockener wird.
Bevölkerungswachstum
Durch das rasante Bevölkerungswachstum steigt auch die Nachfrage nach Wasser. Die Bereitstellung von ausreichend Wasserinfrastruktur ist eine große Herausforderung für alle Teile des Landes. Sanitäranlagen und Wasserleitungen werden nicht schnell genug ausgebaut, was dazu führt, dass vor allem Frauen und Mädchen täglich viel Zeit in die Beschaffung von Wasser investieren. Die Mädchen werden dadurch von Schulbildung ferngehalten und Frauen verlieren viele Stunden täglich an die harte, gesundheitlich problematische und ermüdende Arbeit des Wasser holens (thewaterproject.org).
Übernutzung des Grundwassers
Indien ist weltweit der größte Verbraucher von Grundwasser (indiawaterportal.org). Vor allem Indiens Landwirtschaft verbraucht eine große Menge an Wasser. Seit der “Grünen Revolution”, beginnend in den späten 1970er Jahren, hat die industrielle Landwirtschaft stark zugenommen. Mittlerweile werden mehr als 80 Prozent des vorhandenen Oberflächenwassers (Flüsse, Seen oder Feuchtgebiete) und 60 Prozent des vorhandenen Grundwassers für die landwirtschaftliche Erzeugung verwendet (indiawaterportal.org und livemint.com).
Wasserverschmutzung
Die Verschmutzung von Wasser durch Fabriken, sauren Regen, Chemikalien und Düngemittel oder Einzelpersonen ist eine große Herausforderung für die Menschen und Tiere. Häufig wird Abwasser von industrieller Erzeugung ohne Reinigung in Flüsse oder Seen geleitet, was zu hoher Verschmutzung des Wassers führt. Zudem ist das Bewusstsein der Menschen für Umweltschutz relativ niedrig. Jeglicher Müll landet großteils in Seen oder Flüssen, das zur weiteren Verschmutzung der Gewässer führt. Das Wasser der Flüsse und Seen wird dadurch oft unbrauchbar (janhitfoundation.in).
Wasseraufbereitung
Dem Land fehlt es zudem an Wasserwiederaufbereitungsanlagen, wodurch sehr viel Wasser verloren geht. Solange nicht mehr Systeme installiert werden, die Wasser wiederaufbereiten, Wasser effizienter und sparsamer verwendet wird und die Bevölkerung nicht ausreichend aufgeklärt wird, ist es schwierig, einen Wandel hin zu einem nachhaltigeren Wasserkonsum zu bewirken.
Bildung - Ein Weg aus der Armut
Armut und Bildung sind untrennbar und vielschichtig miteinander verknüpft. Menschen die in Armut leben haben großteils keine Möglichkeit auf Bildung oder vollenden ihre Ausbildung nicht (childfund.org). Eine überwiegende Mehrheit der Eltern, der von COPE unterstützen Kinder, können weder lesen noch schreiben. Um den Kindern eine besser Zukunft zu ermöglichen setzt sich COPE seit nahezu 20 Jahren für Bildung ein.
Der Verein führt eine eigene Schule und leitet fünf Lernhäuser (Häuser wo Kinder am Abend Hausaufgaben machen können). Neben den herkömmlichen Fächern wie Mathematik, Englisch oder Tamil (Landessprache) lernen die Kinder auch über Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Außerdem ist es COPE wichtig, dass auch deren Eltern mit zusätzlichem Wissen ausgestattet werden. Es werden wöchentlich stattfindende Treffen arrangiert, wo Themen wie Persönlichkeitsbildung, Kindererziehung, Gleichberechtigung oder Nachhaltigkeit angesprochen werden.
All das sind dringend notwendige Schritte für eine nachhaltigere, gerechtere und armutsfreie Zukunft. Eine flächendeckende Bildung für alle Kinder im Land ist ein wichtiger Schritt in ein Indien ohne Armut.

Ich kann das alles nur aus eigener Anschauung bestätigen. Wer einmal in Indien war und in die leeren Brunnen geschaut hat, dem fällt es leichter, sein eigenes verhalten zuhause in Europa zu verändern.