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Vermutlich kennen wir alle Bilder und Videos von Menschen, die mit Farbpulver im Gesicht und auf der Kleidung ausgelassen feiern und sich bereit machen, noch mehr Pulver in der Luft zu verteilen. Mittlerweile finden diese Partys bei uns in so regelmäßigen Abständen statt, und sind so beliebt, dass man meinen könnte, sie wären hier heimisch.

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CC By Jitenderasingh

Tradition

Dem ist allerdings nicht so, denn seine Ursprünge hat das Frühlingsfest in Indien, wobei es in manchen Landesteilen Shimga, Phaga oder Kamadahana genannt wird. Nicht nur der Name des Festes ist je nach Region unterschiedlich, sondern auch die Dauer der Feierlichkeiten. Zwischen zwei und zehn Tagen dauert die wichtige spirituelle Verabschiedung des Winters und die Begrüßung des Frühlings. Dabei bewerfen sich die TeilnehmerInnen mit Farbpulver oder gefärbtem Wasser. Obwohl das Pulver traditionellerweise aus heilenden Blüten, Wurzeln und Kräutern hergestellt wurde, wandte man sich im Laufe der Zeit davon ab und verwendet heute häufig synthetische Farben.

Die Menschen begrüßen sich mit „Holi Hai“ (dt. „Frohes Holi Fest“) unabhängig von Kaste, Geschlecht oder Alter, da es die Farbe schwierig macht, sich gegenseitig zu erkennen. So wird ein ausgelassenes Feiern, dem gewöhnlich die strenge soziale Trennung im Weg steht, möglich. Ähnliche Bedeutung hatte vor einigen hundert Jahren der Karneval für BettlerInnen und ArbeiterInnen hierzulande.

Beginn des Festes ist der Vollmondtag des Monats Phalguna (Februar/März nach westlicher Zeitrechnung). Obwohl dem Fest verschiedene Mythen zugrunde liegen, erzählt die bekannteste Legende von einem Religionsstreit zwischen Vater und Sohn, weshalb in der ersten Nacht des Festes ein Feuer entzündet und Figuren der Holika verbrannt werden. Der Legende nach stritten sich der Prinz Prahlada und sein Vater um die richtige Religion. Der Streit ging so weit, dass der Vater den Sohn töten wollte, da dieser Vishnu verehrte. Deshalb ließ der Vater ein Feuer entfachen, um sich des Prinzen zu entledigen. Holika, der Schwester des Königs, wurde nachgesagt immun gegen Feuer zu sein, weshalb sie mit dem Prinz auf dem Arm in das Feuer sprang. Das Feuer tötete jedoch Holika, da der Prinz aufgrund seiner Treue zur Vishnu unversehrt blieb.

Die Bedeutung des Festes ist allerdings für viele Menschen noch weit vielschichtiger als  der Sieg des Guten über das Böse. So werden im Zuge des Festes auch der Sieg des Frühlings über den Winter und der Beginn der neuen Ernteperiode gefeiert. Auf menschlicher Ebene wird dem Fest ein starker Versöhnungsaspekt nachgesagt, da alte Streitigkeiten besonders gut beigelegt werden können.

Kommerz

Da Indien ein beliebtes Reiseziel ist, feiern auch UrlauberInnen immer wieder beim Holi mit. Einer von ihnen war 2012 Jasper Hellmann. Jasper war so begeistert, dass er danach ein Konzept entwickelte um das Fest als eine Party für alle Menschen zugänglich zu machen. Er mietete eine Location in Berlin, verbreitete die Informationen zur Veranstaltung über Social Media und konnte sich binnen weniger Minuten vor Ticketanfragen für das „Holi Festival of Colours“ kaum retten. Mittlerweile wird das Festival weltweit veranstaltet, wobei man sich nicht mehr an den Zeitpunkt hält, an welchem das Fest eigentlich stattfindet und die Termine für Locations  wie Peru, Malaysia, Kenia, Abu Dhabi, die USA und diverse europäische Städte über das ganze Jahr verteilt sind. In Österreich fand das erste Festival der Farben 2013 in der Stadt Linz statt. Mittlerweile wurde die Veranstaltung zu einer österreichweiten Tour ausgeweitet. In Salzburg findet seit 2015 jährlich ein solches Festival in der Salzburger Red Bull Arena statt.

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Holi-Party in Deutschland, CC Flickr Tim

Zugegebenermaßen sehen die Bilder der Partys ziemlich beeindruckend aus, allerdings sollte auch der gesundheitliche Aspekt nicht vernachlässigt werden. So rät zum Beispiel das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Deutschland davon ab ,das Pulver ins Gesicht zu werfen und als Schutz Mundtücher sowie Sonnenbrillen zu verwenden. Vor dem Farbpulver aus Mehl sollten auch Smartphones und Kameras in Sicherheit gebracht werden und Mehlstaubexplosionen nicht auf die leichte Schulter genommen werden, denn Mehl ist, ähnlich wie Kohle, Holz, Kakao oder Stärke ein brennbares Material. Spätestens seit der Mehlstaubexplosion beim Holi Fest in Taiwan, bei dem ein Todesopfer zu beklagen war, muss diese Gefahrenquelle ernst genommen werden.

Cultural appreciation oder cultural appropriation?

Am Erfolg der Partyreihe lässt sich erkennen, wie viele Fans das Konzept mittlerweile hat. Das indische Tourismusbüro und die indische Botschaft in Berlin freut diese Entwicklung, weshalb sie, um UrlauberInnen anzulocken, das Feiern des Holi-Festes als riesige Party in unseren Breitengraden auch unterstützen. Die grundsätzlich toleranten InderInnen freuen sich immer über neue Gesichter, die mitfeiern. Nichtsdestotrotz lösen die kommerzialisierten Holi Partyreihen oftmals Befremden bei ihnen aus, da sie sich zwar über das Interesse an ihrer Kultur freuen aber auch enttäuscht sind, dass bei einer solchen Spaß-Party ihre Traditionen nicht berücksichtigt werden.

Immer wieder werden auch kritischere Stimmen laut. Eine von ihnen ist die deutsch-indische Gesellschaft in Hamburg, die von der kommerziellen Party nicht viel hält, da ein sehr einseitiges Bild Indiens vermittelt wird. Die Mitglieder sind nicht einverstanden damit, dass Teile ihrer Tradition entwertet und für übersättigte junge Menschen im Westen als Zeitvertreib missbraucht werden.

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Holi Festival in London CC by Bhrigu kumar bayan

Deshalb sollte man sich die Frage stellen, inwiefern das Feiern des Holi-Festes von nicht-Hindus über kulturelle Wertschätzung (cultural appreciation) hinausgeht und als kulturelle Aneignung (cultural appropriation) verstanden werden kann. Grundsätzlich versteht man unter kultureller Aneignung die Übernahme von Elementen einer Kultur durch Mitglieder einer anderen kulturellen Gruppe. Oftmals beinhaltet dieses Vorgehen auch ein (historisch bedingtes) Machtverhältnis, bei dem sich eine dominierende Gruppe an der Kultur von Minderheiten bedient und diese außerhalb des ursprünglichen kulturellen Kontext verwendet. Bei diesen Elementen mit tiefer kultureller Bedeutung kann es sich zum Beispiel um Kleidung, Schmuck, Musik, Kunst, Religion oder Sprache handeln, welche von Außenstehenden verwendet werden. Die Verwendung von Bindis, Dreadlocks, bantu knots, cornrows, Kimonos oder Saris als Modetrend fallen unter anderem in diese Kategorie.

Die Berliner VeranstalterInnen des Festivals betonen deshalb, dass sie mit der Veranstaltungsreihe keinen religiösen oder spirituellen Ansatz verfolgen und dies auch von den Feiernden nicht verlangt wird. Ihnen gehe es um Spaß und darum, kulturelle Vielfalt, Respekt und Toleranz zu vermitteln.

Auch wenn die Vermittlung dieser Werte lobenswert ist, sollte man die kritischen Stimmen ernst nehmen. Offensichtlich fühlen sich manche, allen voran die deutsch-indische Gesellschaft in Hamburg, nicht wohl mit der kommerziellen Vermarktung ihres Brauchtums. Darauf sollte Rücksicht genommen werden, denn der Grad zwischen kultureller Aneignung und kultureller Wertschätzung ist ein schmaler. Vielleicht kann ein Dialog zwischen den Beteiligten einen gemeinsamen Nenner offenbaren und ein respektvolleres Miteinander schaffen. Ganz im Zeichen der Tradition des Holi.

Verfasserinnen: Theresa Sperl und Tirana Dirala (Praktikantinnen am AAI)

 

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