2018_04_26 Die verlorene Generation (4)

Am 26. April war Carolina Tataje aus Peru im AAI und hat uns über ein dunkles Kapitel im Peru der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts berichtet, die Zeit der Zwangssterilisierungen indigener Frauen. Diese fanden in der Regierungszeit vom damaligen Machthaber, dem Diktator Alberto Fujimori in den peruanischen Anden statt.

Unter Alberto Fujimori wurde  ein Gesundheitsprogramm zur Familienplanung umgesetzt, das zwischen 1995 und 2000 zur Sterilisierung von 314.605 Frauen führte. Diese Zahl war das Ergebnis einer Untersuchung welche der peruanische Kongress im Jahr 2002 in Auftrag gegeben hat. Nur 10% der Frauen gab an, eine „echte Zustimmung“ dazu gegeben zu haben, (vgl.  lateinamerikanischer und karibischer Ausschuss für Frauenrechte Cladem). Rund 20.000 Männer wurden ebenfalls diesen Operationen unterzogen. Das Programm wurde als ein modernes Programm für Frauen präsentiert, wodurch die Frauen an Freiheit und Selbstbestimmung gewinnen sollten.  Es war in Wirklichkeit nichts anderes als ein diskriminierendes und entwürdigendes Programm, deren Opfer die Quechua Bäuerinnen in den peruanischen Anden wurden.  Für diese Art der Familienplanung erhielt die peruanische Regierung finanzielle Unterstützung multilateraler Geber, sowie auch Unterstützung vom UN-Weltbevölkerungsfonds.

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Foto: AMPAEF https://www.facebook.com/ampaef/photos/rpp.280150618691583/2133196903386936/?type=3&theater

Es kamen verschiedene Mittel zum Einsatz, um an den Frauen die Sterilisationen durchführen zu können: Durch Täuschung, unter Zwang, oder einfach ohne sie zu informieren, sodass sie gar nicht erst wussten, dass sie sterilisiert wurden; zum Beispiel nach der Geburt ihres Kindes oder nach einer anderen Operation. Die ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen wurden verpflichtet diesen Operationen durchzuführen. Die Frauen haben keine Informationen über das Risiko der Operationen bekommen  und wurden gleich nach der Operation wieder nach Hause geschickt ohne richtige medizinische Nachsorge. Den Schwierigkeiten zum Trotz haben sich viele Opfer organisiert  viele von ihnen sprechen kein Spanisch, leben weit abgelegen,  sie müssen weite Reisen in nächst gelegene große Stadt auf sich nehmen um eine Anzeige erstatten zu können. Auch fehlt oft das Geld  um gemeinsam gegen den Staat zu kämpfen, und ihre Klagen bei Gericht einzureichen. Dieses Kapitel ist noch lange nicht vollständig aufgearbeitet.

Der 24. Dezember 2017 wird deshalb ein Datum sein, das alle PeruanerInnen  vor allem aber die Opfer, niemals vergessen werden. An dem Tag wurde der ehemalige Präsident und Diktator unter dessen Führung die Quechua  so viel Leid erfahren mussten, aus medizinischen Gründen von seiner 25 jährigen Gefängnisstrafe begnadigt, die er wegen Korruption und Verbrechen gegen die Menschheit.

Erste Reaktionen des Wiederstands gegen diese Entscheidung hat es bereits gegeben. So rief  am 26. April 2018 der Oberstaatsanwalt von Peru, Luis Landa, die Opfer des Sterilisationsprogrammes dazu auf, den ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori auch weiterhin anzuzeigen. Die Opfer und verschiedene Organisationen kämpfen weiter für Gerechtigkeit und gegen die Straffreiheit von Fujimori.  Sie brauchen auch internationale Unterstützung, die sie in ihrem Tun bestärkt,

Peru ist nicht das einzige Land, in dem Zwangssterilisationen durchgeführt wurden. Länder wie Kanada, Japan, Deutschland, China, Indien, die USA, Bangladesch und Russland haben, ähnliche leidvolle Episoden in ihrer Geschichte. Wie in Peru so waren auch in diesen Programmen Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören,  Frauen mit HIV, Behinderte Menschen, Intersexuelle und Transgender  die Leidtragenden. Einerseits  wurden diese Programme für eugenische[1]  Zwecke durchgeführt, bei denen Menschen mit psychischen Krankheiten, Menschen mit Missbildungen, Menschen mit Behinderungen und  AlkoholikerInnen, unter Zwang bzw. ohne deren Wissen sterilisiert wurden, andererseits kam sie als Bestrafungsmittel bei Strafgefangenen zum Einsatz.

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Zwangsterilisation ist und bleibt ein schmerzhaftes Thema das im globalen Kontext noch nicht Geschichte ist. In China und Indien wurden Zwangssterilisierungen durchgeführt, um das Bevölkerungswachstum zu reduzieren. In Indien wurden im Jahr 2002 114.126 Vasektomien und 4.6 Millionen Tubenligationen beobachtet, eine irreversible Intervention, deren Operation komplizierter ist als die Vasektomie. Programme die staatlich verordnet und so stark die persönliche Freiheit beschneiden missachten die menschliche Würde und die universellen Menschenrechte.

Das Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit ist ein grundlegender, jedoch oft nicht gewährleisteter Aspekt der Menschenrechte. Dieses Recht zu verwirklichen bedeutet, dass jede Frau, jedes Mädchen, jeder Mann und jeder Junge über die Mittel und die Freiheit verfügen, selbständig darüber entscheiden zu können, wann und wie viele Kinder sie bekommen wollen. Aber es geht auch darum, ihnen einen positiven Umgang mit ihrer eigenen Sexualität zu ermöglichen, frei von Diskriminierung, rechtlicher Verfolgung und Gewalt aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung. Dazu gehören im globalen Kontext die Verbesserung von Gesundheitsdiensten und eben auch Bildung und die Förderung gesellschaftlicher Toleranz und rechtlicher Reformen.[2]

Menschenrechte sind unveräußerliche Rechte und niemand soll Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter oder sexueller Orientierung ausgesetzt sein.

Weiterführenes:

Hier geht es zum Artikel von Südwind über die aktuelle politische Situation Perus

 

Fußnoten:

[1] Eugenik:  Disziplin, die versucht, die biologischen Gesetze des Erbes anzuwenden, um die menschliche Spezies zu perfektionieren. Eugenik ist eine Intervention in erbliche Merkmale, um die Geburt von gesünderen und intelligenteren Menschen zu unterstützen. Eugenik wurde benutzt z.B. um Rassismus und Diskriminierung zu rechtfertigen während des Nationalsozialismus.

[2] https://www.giz.de/fachexpertise/html/7332.html : abgerufen am :8-5-2018

 

verfasst von Carolina León – AAI Salzburg

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