
Am 6. November fand der 9. Empfang der Religionen statt, wo Vertreter*innen der Alevit*innen, der Bahai, der Buddhistischen, der Katholischen, der Islamischen und der Jüdischen Glaubensgemeinschaft Gelegenheit hatten, ein gemeinsames Gebet zu verrichten und sich kulturell und religiös auszutauschen.
Im Mittelpunkt des diesjährigen Treffens standen die Alevit*nnen. Für sie war die Veranstaltung von großer Bedeutung, weil sie sich dadurch bekannter machen konnten. Aufgrund des Schweigegebots, mit welchem Alevit*innen lange Zeit erzogen wurden, ist die Gemeinschaft noch recht unbekannt. Die Religion der Alevit*innen ist im Osmanischen Reich und der heutigen Türkei nicht anerkannt / worden; und wegen der Furcht, diskriminiert und verfolgt zu werden, haben viele Alevit*innen ihr Bekenntnis und ihre religiösen Praktiken geheim gehalten.
Viele Alevit*innen sind während der europäischen Arbeiter*innenanwerbung ab den 1960er Jahren nach Deutschland und Österreich emigriert. In Europa leben heutzutage 1,5 bis 2 Millionen Alevit*innen, der größte Anteil lebt in Deutschland (rund 500 000). Österreich zählt 80 000 Alevit*innen, wobei Salzburg für rund 40 alevitische Familien das Zuhause ist. Die neue Heimat – wo mehr Religionsfreiheit möglich ist – ist Nährboden für den Revival des Alevit*innentums. So ist Österreich weltweit das einzige Land bisher, das ihre Religion bundesweit anerkennt. In Deutschland ist die Religionsgemeinschaft nur in einzelnen Bundesländern oder Städten, wie Hamburg, eingetragen.
Da sich das Alevit*innentum vom Islam in wesentlichen Punkten unterscheidet, hat die Gemeinschaft ihre eigenen Orte zur Durchführung des zentralen Cem-Gebets. In St. Pölten erhielten Alevit*innen ein für sie eigens gebautes Cem-Haus, um ihren Gottesdienst auszuführen. Selbst unter den Alevit*innen steht die Frage im Brennpunkt, ob das Alevitent*innentum zum Islam gehört oder eher eine eigene Glaubensrichtung darstellt.

Hauptthemen des Empfangs war die Zahl 12 (12 Dienste des Cem-Rituals, 12 symbolische, rote Schals), die Versöhnung und das Teilen. Besondres die letzten zwei Punkte haben eine bedeutende Rolle in allen Religionen.
Frank Walz, Diakon, Assistenz Professor an der Uni Salzburg und Mitglied vom Kuratorium des AAI, hat dankenswerter Weise mit seiner langjährigen Erfahrung wieder den liturgischen Teil des Empfangs angeleitet. Dabei haben Alevit*innen Reinigungs- und Versöhnungsrituale durchgeführt und mit Begleitung der Saz Baglama (Kurzhalslaute) zwei stimmungsvolle Lieder vorgesungen. Die muslimische Gemeinschaft hat Auszüge aus dem Koran vorgetragen. Anschließend Erklang die Nay-Flöte zu weiteren Koranrezitationen. Die Bahai Gemeinschaft hat folgend ein Friedensgebet verrichtet und die buddhistische Gemeinschaft hat das Ritual der sechs Verbeugungen des Respekts und der Dankbarkeit durchgeführt. Von der israelitische Kultusgemeinde wurde aus den Büchern Moses und aus einem Friedensgelob Auszüge zur Versöhnung vorgelesen. Zum Schluss schloss sich das Publikum lebendig am Lied „Schalom, schalom“ an, welches Frank Walz anstimmte. Zum Teilen lud darauf der Gabentisch in der Mitte der Kirche ein, wo mitgebrachte Kost, wie etwas das Lokma (Brot aus der Cem-Zeremonie) oder Gebetskärtchen lagen. Besonders bei Letzterem entstand eine sehr angenehme Atmosphäre, die vom freundschaftlichen Austausch geprägt war.
Nach dem gemeinsamen Gebet hatten die Besucher*innen die Möglichkeit den Vortag von Handan Aksünger-Kizil zuzuhören, sie ist Professor*in für Alevitisch-Theologische Studien an der Universität Wien. Dieser Input fand an der Theologischen Fakultät statt und wurde vom Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen organisiert. Als Insider*in hat sie in erster Linie auf den akademischen Forschungsmangel hingewiesen, da Alevit*innen weder Religionsunterricht noch eine theologische Ausbildung haben. Diese Situation wird am besten mit ihrem Zitat „Organisiert euch nach dem Vorbild der Kirchen“ beschrieben. Aksünger-Kizil erhofft doch bessere Perspektiven für ihre Gemeinschaft in der Zukunft, wobei sie solche Treffen für wichtig und wirksam hält.

Das diesjährige interreligiöse Gebet, welches vom Arbeitskreis Interreligiöser Dialog (AID) organisiert wurde, hat wieder einen wichtigen, verbindenden Beitrag zwischen den verschiedenen Glaubensgemeinschaften in Salzburg geleistet. Wir freuen uns, dass nun auch die Alevit*innen beim AID weiter mitwirken möchten und wertvolle Beiträge ihrer sehr friedlichen und künstlerisch geprägten Praktiken teilen können.
Über Versöhnung von der Bahai Gemeinde, Foto © AAI Salzburg Über Versöhnung & Frieden von der jüdischen Glaubensgemeind, Foto © AAI Salzburg