Anlässlich des Vaisakhi-Festes wurde von der Sikhgemeinde in Salzburg am 15. April 2018 der religiöser Marsch Nagarkirtan durchgeführt, bei dem der Neujahrstag und die Gründung des Khalsa (Sikh Brüder- und Schwesternschaft) gefeiert wird. Diese Brüder- und Schwesternschaft ist mit insgesamt 24 Millionen Menschen mittlerweile die fünftgrößte Weltreligion.
Dies lies sich auch an der regen Beteiligung an der Prozession erkennen. Die Länge des sehr bunten und lauten Zuges von AnhängerInnen schien fast unendlich zu sein. Man hörte die heiligen Hymnen der Sangat, (AnhängerInnen) und bestaunte ihren traditionellen bunten und aufwendig verzierten Gewändern und Kopftücher oder Turbane. Manche putzten die Straßen, manche boten Essen und Wasser an, manche bereiteten sich auf den Kunstkampf vor.

Dadurch ließen sich nicht-Angehörige dieser Religion leicht identifizieren, welche dann mit Infomaterial über die Religion und ihre Prinzipien versorgt wurden. Darin lässt sich zum Beispiel lesen, dass 1469 der Begründer und 1. Guru Nanak Dev Ji in eine hinduistische Familie geboren wurde. Er fühlte sich aber weder dem Hinduismus noch dem Islam zugehörig und gründete deshalb seine eigene monotheistische Religion in welcher der Guru der Lehrer bzw. Meister ist und der Sikh der Schüler. Die neu gegründete Religion des Sikhismus basiert auf drei grundlegenden Säulen:
- Gedenke stets dem Herrn
- Gehe einer ehrlichen Arbeit nach
- Teile mit anderen
Die Ablehnung des hinduistisch geprägten Kastensystems, sowie religiöser Dogmen und Aberglauben zählen ebenso zu den Prinzipien des Sikhismus wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Kompatibilität von Weltanschauung und religiöser Ideale und die Akzeptanz materieller Bedürfnisse und dem Streben nach Wohlstand.
Im Zuge des Umzuges wird die Geburtsstunde des Khalsa gefeiert. Zu dieser Gründung kam es 1699 als Guru Gobind Singh Ji die Kande di Pahul/Amrit (vergleichbar mit der Taufe) einführte. Die Kande di Pahul/Amrit symbolisiert die bewusste Entscheidung zur Aufnahme in die religiöse und soziale Gemeinschaft des Khalsa. Durch diesen Akt verpflichten sich Sikhs fortan die 5 K’s (ungeschnittenes Haar, Holzkamm, speziell entworfene Shorts, eiserner Armreif und schwertartiges Messer) zu tragen und ihr Leben nach den Weisheiten der Heiligen Schrift Shri Guru Granth Sahib Ji, welche die Sikhs als ihren Gott behandeln, zu führen. Im Zuge des von den Panj-Pyara (Fünf Geliebte) angeführten Marsches wurde die heilige Schrift auf einem bunt geschmückten Wagen mitgeführt.

Ein auffälliges Zeichen beim Nagarkirtan waren die von Frauen getragen bunten Kopftücher und die von Männer getragen bunten Turbane. Beide gelten als Zeichen des Respekts und der Identität der Sikh Gemeinde. Der Turban wird in Gurmukhi Dastar genannt und stammt vom persischen Begriff Dast-e-Jaar, der „die Hand Gottes auf dem Kopf haben“ bedeutet.
der Turban verbindet einen Sikh mit Gott und unterscheidet ihn von anderen als seinen Gläubigen. Die meist verbreitete Farbe ist Orange, wie auch auf der Prozession zu erkennen war. Diese Farbe steht für den Mut im Angesicht des Todes: die Sikh-Märtyrer werden nämlich meistens mit orangenen Turbanen dargestellt. Weiße und blaue Turbanen ließen sich auch sehen: die ersten stehen für Großzügigkeit, die zweiten für die innere Größe eines Menschen. Weniger verbreitet, weil meistens als Symbol des Protests betrachtet, waren schwarze Turbane. Im alltäglichen Leben werden aber die Farben nach dem Geschmack der Person gewählt.

Ziel der Prozession ist neben dem Feiern des Khalsa auch die Teilhabe von Menschen anderer Religionen und Herkunft an den Grundwerten des Sikhismus. Vor allem das Prinzip des Teilens wurde auf dem Fest sehr groß geschrieben. Bei der Prozession wurden kostenlose Getränke und kleine Snacks verteilt. Auch eine warme vegetarische Mahlzeit wurde am Ende der Prozession zur Stärkung an die TeilnehmerInnen verteilt. Das Prinzip des Teilens hängt mit dem des Ehrenamts eng zusammen: das Ehrenamt (Sewa) wird von den sogennanten Sewadar geführt und gilt als Symbol des Respekts und Hingabe an den Guru.
Die ehrenamtliche Arbeit wird betrachtet als eine gute Möglichkeit, sein eigenes spirituelles Wachstum zu nähren und gute Beziehungen in der Gesellschaft zu schließen. Sie gilt als vollständige Entsagung, Demut, Reinheit der Absichten, die zur Hingabe jeder Art Arbeit führen. Das führt zum Wohl der ganzen Gesellschaft, denn sie legen viel Wert auf die Integration in die Gesellschaft auf dem Prinzip des Gemeinwohls für alle (Sarbat da Bahla ). Der Dienst an den Menschen ist eben die immanenteste Art, sich mit Gott zu vereinen.


Solches Ehrenamt wurde bei der Prozession durch die Verteilung von Speisen und die Reinigung der Straßen geübt. Die Rücksicht auf die Natur und das Stadtbild scheinen der Sikh Gemeinde sehr am Herzen zu liegen. Es wurde sehr genau darauf geachtet, dass kein Müll zurückblieb und der Plastikabfall von Speis und Trank nicht rücksichtslos auf den Boden, sondern in die bereitgestellten Müllsäcke geworfen oder in die eigene Tasche verstaut wurde.
Etwa zur Hälfte des Marsches wurde eine Pause eingelegt und die Sikh Gatka, die Sikh-Kampfkunst, vorgeführt. Das kriegerische Verständnis der Sikhs stammt aus dem Widerstand zum Schutz des Glaubens gegen der Tyrannei des Mogul Kaisers in XVII Jahrhundert. Die Kampfkunst gilt als eine Selbstverteidigung, die den heiligen Krieger bildet auf dem Grundprinzip der Vereinigung von Geist, Körper und Seele.
Die Kämpfer trugen die traditionellen Kostümen und vom Trommel begleitet kämpften sie gegeneinander: Selbst die kleinsten zeigten dem Publikum in Zweikämpfen ihr Können.
Es wurde mit verschiedenen Waffen gekämpft: die Vielseitigkeit der Waffen zählt nämlich zu einem der Prinzipien der Gatka. Die jüngsten kämpften mit Stöcken, mit denen sie die grundlegenden Bewegungen und die mentale Einstellung erlernen können; die ältesten kämpften auch mit schwereren Waffen. Der ganze Kunstkampf war sehr spannend, da man die Kraft und Fähigkeit der Kämpfer spürte. In einem endlosen Wechsel von Angriffen und Verteidigungen gab es keine Pause.
Die Fähigkeit, gegen mehrere Kämpfer kämpfen zu können, zählt ebenfalls zu den Prinzipien der Gatka und wurde am Ende der Kunstkampf vorgeführt. Das Publikum reagierte begeistert mit Applaus und anfeuernden Zurufen.
verfasst von Lisa Brunelli und Theresa Sperl, Praktikantinnen AAI