Zweimal im Semester veranstaltet das Afro-Asiatische Institut ein Weltdinner. Dabei haben die Teilnehmer*innen die Chance, in fremde kulinarische Welten einzutauchen und etwas über nachhaltige Ernährung zu erfahren. Der Schwerpunkt dieses Weltdinners am 19. März 2019 war die Bedeutung des zentralen Grundnahrungsmittels Reis.
Wei Li, Gastprofessor*in am China Zentrum und unsere diesmalige Referent*in, hat uns dabei die Vielfältigkeit der Küche und die besondere gesellschaftliche Rolle von und vom Speisen in China anhand von Teigtaschen (Jiǎozi), Salaten und einem Reisbrei nahe gebracht.
Vielfalt der Regionen - Vielfalt der Küchen
Diese Differenzen ergeben sich auf Grund der jeweiligen natürlichen Bedingungen, dem spezifischen Lebensmittelanbau und den angewendeten Zutaten, wie etwa die Würze. In dieser Weise haben besonders die jeweiligen Küchen des Nordens, des Ostens, des Südens und Südwestens spezifische Charakteristika. Des Weiteren unterscheidet sich die Art und Weise des Essenssettings je nach Region sehr stark, zB. werden im Osten, wie bspw. in Shanghai dutzende kleine Gerichte serviert; im Norden werden einige wenige und größer portionierte Hauptspeisen aufgetischt.
Die Diversität des Reises und seiner Produktion
Reis ist für Chines*Innen sowohl im Norden wie auch im Süden sehr wichtig. Allgemein zählt in Süd-, Ost- und Südostasien der Reis zu einem der zentralen Grundnahrungsmittel, wie uns Elisabeth Feldbacher, Bildungsreferent*in des AAIs bei der Einführung erläutert. Auf Grund der hohen Population und des traditionellen Reiskonsums dominiert der asiatische Kontinent die weltweite Reisproduktion, wobei China und Indien an der Spitze stehen, gefolgt von Indonesien, Bangladesch, Vietnam und Thailand (Stand 2017).
Die Reispflanze, Oryza, gehört zu der Gattung der Süßgräser. Sie ist eine jährliche, semiaquatische Grasart (vgl. GRiSP 2013: 5). Sie benötigt je nach Umweltbedingungen und Sorte im Durchschnitt drei bis sechs Monate zum Wachsen. Wei Li erklärt, dass im Norden Chinas aus klimatischen Gründen weniger, dafür qualitativerer Reis wächst als im Süden. Während in wärmeren Regionen im Durchschnitt drei Mal im Jahr Reis geerntet wird, ist in kälteren Regionen nur eine Ernte möglich.
Dies zeigt, dass der Reis unter sehr vielfältigen geographischen und klimatischen Bedingungen kultiviert werden kann und sich der Reisanbau nicht ausschließlich auf Asien beschränken lässt. Reis wird heutzutage auf allen Kontinenten der Welt, mit Ausnahme der Antarktis, produziert.
Die kritische Expansion des Reiskonsums
Die rezente Verbreitungswelle des Reiskonsums weltweit erklärt sich durch die entwicklungspolitischen Bemühungen und ihre Verknüpfung mit dominierenden Ernährungssystemen.
Auch bekannt unter „der Grünen Revolution“ trat die internationale Gemeinschaft seit den 1950/60ern den Kampf gegen den Hunger im globalen Süden an. Ein zentrales Mittel dazu war die Ernteerhöhung von Reis. Dies führte dazu, dass Länder mit umfangreichen Produktionen und hoher Bevölkerungsdichte, wie China, den Philippinen und Indien, weitgehend auf den großen einheimischen Märkten blieben. Gleichzeitig entstanden jedoch neue Reisproduzent*innen in Thailand und Vietnam mit kleineren lokalen Märkten aber großem Exportpotenzial.
Inzwischen waren westafrikanische Länder auf Grund des erschütterten globalen Marktes stark verschuldet. Die Weltbank und der IWF zwangen diese Länder zu Strukturanpassungsmaßnahmen, welche zur Öffnung von Märkten sowie Zöllen, und dadurch zu neoliberale Ausrichtungen führten. Hinzu kam, dass Kolonisator*innen die Höherstellung des Reises gegenüber lokalen Grundnahrungsmitteln, wie Hirse, Sorghum oder Maniok, der lokalen Bevölkerung aufdrückten. Diese kolonialen Vorstellungen wurden besonders in Städten angenommen. Billiger und nährstoffarmer Reis aus Südostasien verdrängte lokale und reichhaltigere Lebensmittel. Resultat aus dieser großen Transformation der Konsumgewohnheiten ist die Erzeugung eines auf Preisschwankungen empfindlichen Systems, welches importabhängig ist. (Vgl. Moseley 2018/2019)
Genreis zur Hungerbekämpfung?
Der hohe Stellenwert des Essens in China
Der Planung, der Zubereitung und den Mahlzeiten selbst wird in China viel Aufmerksamkeit geschenkt. So ist es normal, dass in einer Familie drei Mal täglich gekocht wird, sehr oft ist bei diesen Mahlzeiten Reis dabei. „Die Esskultur übernimmt (…) viele soziale Funktionen“ betont Wei Li in ihrer Einführung. Die dadurch entstehenden Begegnungsräume dienen dem Austausch, der Tradierung von Wissen und der Pflege von gesunden Freundschaften und sozialen Beziehungen.
Es gibt sehr verschiedene Reisgerichte und Varianten des Kochens. Zum Bespiel wird der Reisbrei als ein für den Magen und die Verdauung sehr gesundes Morgen- oder Abendgericht erachtet. Unterschiedliche Zutaten, wie an diesem Weltdinner-Abend chinesische Datteln und Nüsse, können hinzugesetzt werden. Dieser Brei harmoniert laut Wei Li sehr gut mit Teigtaschen und ist daher Teil des Menüs.
Teigtaschen als Mittel zum besonderen kollektiven Ritual
Während des Weltdinners wurden auch Vergleiche zu österreichischer Teigtaschenfertigung unter den Teilnehmer*innen gezogen. Mit einer Tradition von ca. 1800 Jahren zählt China zu einen der ältesten Hersteller von Teigtaschen.
Wenn ein Gericht als das Beliebteste zählen soll, dann meint Wei Li, dass es in China Teigtaschen, oder in Mandarin Jiǎozi 饺子, seien.
Sie betont, dass Jiǎozi früher in Nordchina ausschließlich eine Festtagsspeise war, die nur zum Frühlingsfest (Chinesisch Neujahr) zubereitet und verspeist wurde. Auch der Name Jiǎozi 饺子„Zeitpunkt zum Jahreswechsel“ verweist auf diese Tradition.
Heutzutage findet man die Jiǎozi im Kühlregal fast jedes Supermarktes oder an den meisten Fast Food Ständen. Dennoch betont Wei Li, dass zu wichtigen Festtagen die Zubereitung von Jiǎozi ein besonderes familiäres bzw. gemeinschaftliches Ritual für Chines*innen bleibt.
Auch während des Weltdinners war zu spüren, wie lebendig und motiviert die Teilnehmer*innen gemeinsam die recht aufwendige Herstellung der Teigtaschen umgesetzt haben. Viele Fragen wurden zum feinen Schneiden des Gemüses für die Füllung sowie zum speziellen Ausrollen und Formen des Teiges gestellt. Besonders für Letzteres war das Vorzeigen der speziellen Technik durch Wei Li unumgänglich und faszinierend zu beobachten und nachzumachen.


Kulinarische Komposition und Symbolik
Zusätzlich erläutert Wei Li, dass bei chinesischen Gerichtskompositionen vier wichtige Komponenten in Harmonie zu bringen sind:
- Farbe
- Aroma
- Wohlgeschmack
- Form
Große Achtsamkeit wird dabei auf die Auswahl und den Nährwert der Zutaten sowie ihre Gartemperatur gelegt.
Jiǎozi in Halbmond- oder Schiffchenform nehmen eine historisch, symbolträchtige Gestalt an, die Glück und Reichtum bringen sollen.
Die kleinen Teigtaschen wurden von den Weltdinner Teilnehmer*innen nach und nach für das kurze abschließende Kochen im Wassertopf fertig gestellt und eingesammelt.

Auch der Reisbrei in seinem riesigen Topf war fertig. In regelmäßigen Schüben kamen dann ca 20-30 Stück warme Jiǎozi auf den Serviertisch und alle begannen sie in Kombination mit den Beilagen und der besonderen Sojasauce-Mischung genüsslich zu verspeisen.
Von diesem Weltdinner ging eine sehr angenehme, freudige Stimmung aus, wo alle Teinehmer*innen sehr hilfsbereit und gemeinschaftlich zusammenwirkten. So hat auch hier der verbindende Zauber der chinesischen Teigtaschen vorzüglich gewirkt.
verfasst von Maia Loh, Praktikant*in am AAI Salzburg
Quellen
GRiSP (Global Rice Science Partnership). 2013. Rice almanac, 4th edition. Los Baños. http://books.irri.org/9789712203008_content.pdf (01.04.2019)
Moseley, William G. 2018/2019. Städter wollen keine Hirse, in Welt-Sichten: Magazin für globale Entwicklung und ökumenische Zusammenabreit. 12-2018/1-2019, Dezember/Januar: https://www.welt-sichten.org/artikel/35380/staedter-wollen-keine-hirse (17.03.2019)