Was bedeutet es als Frau im öffentlichen Raum sichtbar zu sein? Was verstecken wir mit Kleidung, Make-up, Bewegung und wie zeigen wir uns damit zugleich?

Diese und andere Fragen im Zusammenhang mit dem weiblichen Körper stellten wir uns beim Workshop „Draußen sein, sichtbar sein“. Er wurde von Nayana Keshava-Bhat und Julia Leckner, dem Team von „INFLUX – Netzwerk für Tanz, Theater und Performance“ geleitet. Im Zentrum standen vor allem spielerische Auseinandersetzungen mit dem Körpers mittels Kreativität als Ausdruckform.

Du bist die Susanne, kochst gerne, kannst aber scharfes Essen nicht leiden

So wurde ich beim Kennenlern-Spiel gleich zu Beginn von einer anderen Teilnehmerin beschrieben. Bei diesem Spiel dufte immer eine Teilnehmerin den Namen einer anderen schätzen. Zudem sollte man sich noch überlegen was diese Person mag und nicht mag. Durch die kreativen Einfälle vieler Teilnehmerinnen war das Eis sofort gebrochen und ich fühlte mich wie in einer Runde guter Freundinnen.

Eintauchen in eine Fantasiewelt

Durch das Überschreiten eines imaginären Fantasie-Rings begaben wir uns nach dem Kennenlernen in eine Fantasiewelt. Losgelöst von Verpflichtungen, Zwängen oder Verhaltensnormen versetzten wir uns in eine Welt der Vorstellungskraft. Von Julia wurden uns die Rahmenbedingungen gegeben und wir konnten danach unserer Kreativität freien Lauf lassen. Nach der Übung stiegen wir wieder über den Fantasie-Ring und verließen die Traumwelt. Anschließend teilten wir im Sitzkreis unsere Welten miteinander. Es wurden schöne, lustige, und immer unterschiedliche Welten geschildert. Ich habe mich in einer ruhigen und entspannten Welt, inmitten von blühenden Pflanzen, dem Geruch von Blumen und dem Gesang von Vögeln, wiedergefunden. Das war eine tolle Übung um sich vor dem Austausch mit den anderen mit sich selbst in Einklang zu bringen.

Wahrnehmung unserer Sinne

Bei der nächsten Übung bewegten wir uns frei durch den Raum. Wir konzentrierten uns nacheinander auf ein bestimmtes Sinnesorgan. Nayana gab uns Anweisungen, worauf wir achten sollten. So haben wir den Raum einmal ganz genau mit den Fingern „betrachtet“, ohne dem Sehen, Hören oder Riechen viel Aufmerksamkeit zu schenken. Dann sollten wir nur mit den Ohren wahrnehmen oder unsere Hände einsetzen um Oberflächen zu fühlen. Angenehmes und Unangenehmes sollten wir nicht bewerten, sondern so neutral wie möglich mit dem Aufgenommenen umgehen. Das Ausprobieren und achtsame Auseinandersetzen mit der Welt um uns herum war hier die zentrale Aufgabe. In der darauffolgenden Reflexion haben wir unsere unterschiedlichen Eindrücke miteinander geteilt. Durch die Wahrnehmung der anderen wurde ich selbst auf so viele Dinge hingewiesen, die ich in meiner eigenen Wahrnehmung nicht bemerkt habe.

Den anderen ein Kompliment machen

Frei im Raum bewegend hatten wir nun die Möglichkeit, anderen Kursteilnehmerinnen wertschätzende und ehrliche Komplimente zu machen. Anfänglich fand ich es etwas schwierig einer Person ein Kompliment zu machen, die ich noch nicht lange kannte. Doch bei genauerem Nachdenken und Beobachten der anderen Teilnehmerinnen war es mir dann sonnenklar einer Teilnehmerin zu sagen, dass sie eine wundervolle Leichtigkeit mit in den Raum bringt oder einer anderen zu sagen, dass sie durch ihr Lachen den Raum zum Strahlen bringt.

Was ist mein Lieblingskleidungsstück?

Unsere Aufgabe war es, zum Workshop ein Lieblingskleidungsstück mitzubringen. Dieses wurde dann nacheinander den anderen vorgestellt. Vor allem wurde erzählt, warum man es mag und mitgebracht hatte. Jeder hatte ein anderes Stück, zusammen mit einer Geschichte, dabei. Manche verbinden das Kleidungsstück mit einem Menschen, für andere ist es ein Ausdruck von Selbstbewusstsein oder eine Form weiblicher Emanzipation. Von vielen wurde kritisch reflektiert, warum sie genau dieses Kleidungsstück dabei haben. So wurde darüber gesprochen, dass man durch eine bestimmte Kleidervorschrift im Beruf oft so stark an einen eleganten Stil gebunden ist, der wenig Raum für Individualität lässt. Auch wurde von einer Teilnehmerin eine bunte Lieblingshose mitgebracht, für die sie sich nur im Sommerurlaub im Ausland mutig genug fühlt, weil sie in Österreich zu viel Aufmerksamkeit erregt. Diese Übung war sehr interessant weil wir zum Einen darüber reflektiert haben welche Rolle Kleidung für uns als Frau einnimmt und zum Anderen kritisch bemerkt haben, wie einfach man Menschen nach ihrem Kleidungsstil bewertet und in eine Schublade steckt.

Ausprobieren mit Kleidung

Die letzte große Übung des Workshops war das Experimentieren mit unterschiedlichen Kleidungsstücken, die von Julia und Nayana mitgebracht wurden. Mit den Kleidungsstücken, die unterschiedlichste Farben, Materialien und Muster aufwiesen, durften wir nun kreativ sein. Unsere Aufgabe war es, sie nicht wie gewohnt anzuziehen sondern damit zu experimentieren. So wurde der Pullover zur Hose, der Regenmantel zum Rock oder ein T-Shirt zum Kopftuch. Für mich war es sehr spannend, die unterschiedlichen Stoffe zu fühlen und sie miteinander zu vergleichen. Manche konnte man ganz klein zusammenrollen und in der Faust verstecken, andere waren ganz steif und hart und man hatte Schwierigkeiten, sie überhaupt zu falten. Nach dem Verkleidend konnten wir die kreativen Ideen der anderen bestaunen. Es war spannend zu sehen, was jede mit den ausgewählten Kleidungsstücken gemacht hat. Manche hatten durch die Kleidung eine neue Identität angenommen und beispielsweise ihr elegantes, weibliches Auftreten durch einen burschikosen Stil getauscht. Wieder andere fanden ein neues Lieblingsteil, das ihnen dann als Geschenk mit nach Hause mitgegeben wurde.
Ich habe bemerkt, dass ich mich bei der Kleiderwahl sehr stark von meinen Lieblingsfarben habe leiten lassen. Es war toll, jedes Kleidungsstück anders zu gebrauchen. Ich habe ein Tuch als Rock, einen Rock als Umhang, ein T-Shirt als Halstuch und eine Jacke als Kopftuch umfunktioniert.
Bei der Reflexion in der Gruppe tauschten wir unsere Erfahrungen aus. Eine Teilnehmerin hat bemerkt, wie gut es sich für sie anfühlt, ein Kopftuch zu tragen. Andere sind bei der Reflektion darauf gekommen, dass sie unbewusst ihre weiblichen Körperpartien verdeckten.
Manche bemerkten, dass das Verkleiden für sie nicht das Richtige ist und beobachteten das Geschehen von außerhalb. Eine spannende Erfahrung, die mir vor allem etwas mehr Mut zur Individualität gegeben hat.

Was für eine bereichernde Erfahrung

Ein toller Workshop, der in Windeseile vorbei war. Julia und Nayana haben wunderbare vier Stunden gestaltet, wo ich einiges über mich selbst dazu gelernt habe. Ein Wort, das für mich den Workshop beschreibt ist: „Achtsamkeit“. Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst und mit anderen, jedoch auch mit Gegenständen, Geräuschen oder Gefühlen.

Vielen Dank für die tolle Erfahrung. Ich bin froh Teil dieser schönen Frauenrunde gewesen zu sein!

verfasst von Lisa-Marie Hiebl-Rausch, Praktikantin AAI

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