Hate Speech kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt „Hassrede“. In menschenverachtenden Aussagen werden Einzelne oder Gruppen abgewertet. Die sprachlichen Angriffe können auf Merkmale wie Hautfarbe, Herkunft, Sexualität, Geschlecht, Alter, Behinderung oder Religion von Menschen zielen. Diese Abwertungen basieren auf der Annahme, dass bestimmte Menschengruppen weniger wert als andere seien.

Kenia ist mit seinen 49,7 Millionen EinwohnerInnen die führende Wirtschaftsmacht Ostafrikas und hat seit Jahren ein stabiles Wirtschaftswachstum zu verzeichnen. Jedoch hat das Land hat mit seinen mehr als 40 verschiedenen Volksgruppen, die mehr als 50 verschiedene Sprachen und Dialekte sprechen, gravierende soziale Probleme. Politische Hetze, Korruption, Gewalt und Straflosigkeit ist weit verbreitet. Gerade die Zeit um die Wahlen ist von Unruhen und Ausschreitungen geprägt. Für Kenias herrschende Klasse sind Wahlen vor allem ein Mittel zum Machterhalt. Bei den Wahlkämpfen wird nicht auf Inhalte gesetzt, sondern ethnische Zugehörigkeiten werden instrumentalisiert und unterschiedliche Volksgruppen durch Hassreden (hate speeches) gegeneinander aufgebracht. Die kenianische Philosophin und Medienwissenschaftlerin Jacinta Mwende Maweu gab einen umfangreichen Einblick in die Situation ihres Herkunftslandes und zeigte vor allem die Probleme rund um das Thema Hass und Hetze im Internet auf.

Wahlkampfzeit ist Hauptsaison für Hassreden

Politische Hetze in Form von Hassreden ist in Kenia allgegenwärtig. Sie heizt die Konflikte zwischen Kenias Volksgruppen an. Oft wird von PolitikerInnen selbst während öffentlicher Auftritte in Form von Hassreden versucht, ihre AnhängerInnen aufzustacheln, damit die sich gegen die GegnerInnen wenden. Aggressive Rhetorik ist bei öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen üblich. Oft folgen auf Hassreden Gewaltausbrüche. Politische RivalInnen bezeichnen sich gegenseitig als FeindInnen. Sie greifen einander offen an und schüren Feindseligkeiten unter ihren AnhängerInnen. Vor allem PolitikerInnen der beiden großen politischen Parteien, die amtierende Jubilee Party angeführt von Präsident Uhuru Kenyatta und der CORD-Koalition von Oppositionsführer Raila Odinga, nutzen Hassreden oft gegeneinander. Auch normale BürgerInnen verbreiten Hassreden, meistens durch Stereotype gegen Mitglieder anderer ethnischer Gemeinschaften. Manchmal rufen sie explizit dazu auf, andere Menschen zu ermorden oder Gewalt gegen sie zu anzuwenden. Bei den Präsidentschaftswahlen 2007 kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die durch Hassreden von politischen Führungskräften selbst angestiftet wurden. Es wurden mehr als 1.500 Menschen getötet und über eine halbe Million Menschen vertrieben. Auch bei den Wahlen 2017 kam es wieder zu gewaltvollen Ausschreitungen bei denen Menschen ums Leben kamen.

Problematischer Gebrauch Sozialer Medien

Seit Jahren spielen soziale Medien eine wichtige Rolle in Kenia. Menschen nutzen Handys, Facebook, Twitter und WhatsApp in großem Umfang um hetzerische Nachrichten zu verbreiten. Soziale Medien sind ein fruchtbarer Boden für Hassreden und Stereotypisierungen von anderen Ethnien, Geschlechtern oder Religionen. Hetznachrichten verbreiten sich rasend schnell und erreichen eine große Anzahl der Bevölkerung. Oft werden politische Propaganda-Videos zur Schädigung der
GegnerInnen eingesetzt. Neben PolitikerInnen rufen auch Radiostationen, Zeitungen oder Fernsehsender regelmäßig zu Gewalt und Vertreibung auf. Zudem werden viele Radiokanäle von PolitikerInnen oder Geschäftsleuten, die den führenden PolitikerInnen nahestehen, betrieben.

Straffreiheit

Ein großes Problem ist die Straffreiheit, die in Kenia die Regel ist. Gesetze konnten Hassreden bisher nicht effektiv eindämmen. Auch TäterInnen wissen, dass die Gesetzgebung in diesem Punkt schwach ist und nutzen alle Schlupflöcher aus. Der heutige Präsident Kenias Uhuru Kenyatta wurde 2010 wegen Anstiftung zum Mord, Vertreibung und Raub, während der Wahlen 2007, angeklagt. Das Verfahren wurde jedoch wegen mangelnder Kooperation der kenianischen Regierung und der Einschüchterung von ZeugInnen eingestellt. Wie schon erwähnt stehen Radio- oder Fernsehstation oft bestimmten PolitikerInnen nahe und sind für die Verbreitung von Hass und falschen Nachrichten verantwortlich. Von vielen Seiten wird gefordert, dass die Disziplinlosigkeit von Radio- und Fernsehstationen geahndet werden muss um das Problem in den Griff zu bekommen.

Unterschiedliche Formen von Hassreden

1. Ethnische Hassreden und Stereotypen gegen andere Gemeinschaften

Die ethnische Spaltung des Landes ist tief. Politische FührerInnen nutzen ethnische Unterschiede aus und manipulieren sie um ihr Volk hinter sich zu bringen. Zwei Beispiele ethnischer Hassreden:

„Ich dränge alle meine Stammesangehörigen dazu, zu kämpfen, zu vernichten, zu ermorden, hinzurichten, wenn sich die Gelegenheit bietet, all jene die von diesem Streit profitierten. Rache! Rache! Rache!“
 
„Kikuyus sollen von Nyanza weg ziehen und deren Geschäfte sollen alle zu Asche geerdet werde!“
 

Erklärung: Kikuyu ist die größte Bantusprachige ethnische Gruppe in Afrika. Sie machen etwa ¼ der Bevölkerung Kenias aus und sind mit 22% die größte Bevölkerungsgruppe des Landes. Nyanza ist eine Region in Kenia.

2. Gender bedingte Hassreden mit Aufrufen zu häuslicher Gewalt und Femizid

In Kenias patriarchaler Gesellschaft haben Frauen keine Rechte. Hassreden richten sich immer öfter gegen Frauen. Zufolge eines Berichtes haben 38,5 % der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren in Kenia physische Gewalt zumindest einmal in ihrem Leben erlebt. Zwischen 1.1.2019 und 13.4.2019, wurden bereits 40 Frauen ermordet. Die Mehrheit dieser getöteten Frauen und Mädchen wurden von ihrem Partner oder einem Familienmitglied getötet. Zufolge eines Berichts der United Nations Office on Drugs and Crime in 2018 war Kenia das Land mit den meisten weiblichen Totschlägen. Bei diesen Morden werden Frauen oft als Bösewichte dargestellt, die den Tod verdient hätten. Jacinta Mwende Maweu spricht von einem Trend, wo eine Frau in einer Beziehung mit einem Mann eingeht und im Gegenzug Geld von ihm erhält. Dieser sogenannte „Sponsor Lifestyle“ wird oft als Grund für den Tod einer Frau genannt. 2019 wurde eine kenianische junge Frau von ihrem Freund getötet. Auf die Frage, warum er seine Freundin getötet hätte, erzählte der verdächtigte Mörder der Polizei, er habe „Geld und Gefühle in Ivy (Name der getöteten Frau) investiert, jedoch nicht das zurück bekommen, was er wollte. Frauenvertreterinnen ermahnen Frauen immer öfter Männer als ihre Sponsoren zu vermeiden und sich besser auf ihre Ausbildung konzentrieren. Oft wird Frauen vorgeworfen, wenn sie nicht einen „Sponsor-Lifestyle“ angenommen hätten, dann wären sie nicht getötet worden. So kommt es in Kenia oft dazu, dass der Frau die Schuld für ihren Tod gegeben wird. Jacinta Mwende Maweu sieht hier das Problem in der Gesellschaft. „We need action, but there is no action!“ Obwohl es ein Frauenministerium in Kenia gibt, wird nichts dagegen unternommen. „Es herrscht Stille im Land.“

Der Vergleich zu Österreich

Auch in Österreich kursieren seit Jahren immer öfter diskriminierende Äußerungen und hassgetriebene Rhetorik im Internet, die zunehmend über soziale Netzwerke publiziert werden. Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung werden immer öfter über sprachliche Mittel im digitalen Raum ausgedrückt. Diese Botschaften richten sich vor allem gegen andere Kulturen, Religionen und Frauen. Personen des öffentlichen Lebens wie beispielsweise PolitikerInnen leisten sich immer wieder Entgleisungen auf ihren digitalen Profilen. Wie in Kenia werden auch in Österreich vor allem soziale

Medien genutzt um Hetzbotschaften zu verbreiten. Um dem etwas entgegen zu stellen gibt es immer mehr Kampagnen die sich in Österreich, aber auch auf EU-Ebene, zum Ziel gemacht haben Hassreden und anderen diskriminierende oder verletzende Botschaften zu eliminieren.
Der Europarat hat die Jugend-Kampagne “No Hate Speech Movement” ins Leben gerufen um vor allem junge Menschen für ein respektvolles Miteinander, online und offline, zu animieren. Die Kampagne weist auf die Gefahren von Hassreden für die Demokratie und für den einzelnen Menschen hin. Vor allem werden Möglichkeiten im Umgang mit Hass im Netz aufgezeigt und zudem werden Ursachen und Kontexte thematisiert um der Akzeptanz von Hassreden entgegengewirkt wird.
Die 1999 in Österreich gegründete Organisation „ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit“ setzt sich zum Ziel Zivilcourage und eine rassismusfreie Gesellschaft in Österreich zu fördern sowie allen Formen von Rassismus entgegenzutreten. Neben Organisationen, gibt es immer mehr landesweite Kampagnen und Initiativen, die sich gegen Hetze engagieren. So wurde 2016 in Österreich von Muna Duzdar (ehemalige Staatssekräterin für Diversität, Öffentlichen Dienst und Digitalisierung) die Kampagne #GegenHassImNetz ins Leben gerufen um auf die steigende Zahl an Hass- und Hetzpostings im Internet zu reagieren. Auch die Plattform CounterACT! stellt Informationen, Tools und Handlungsanleitungen bereit, die dabei helfen effektiv gegen Hass- und Hetze im Internet vorzugehen.
Wie auch in Kenia richtet sich Hass und Rassismus im Netz vermehrt gegen Frauen. Laut der österreichischen Studie „Gewalt im Netz gegen Frauen & Mädchen in Österreich“ sind vor allem junge Frauen und Mädchen betroffen. Zudem sind Frauen, die sich ehrenamtlich gesellschaftlich engagieren häufiger Zielscheibe von Hassnachrichten. Auch die Herkunft und sexuelle Orientierung ist ein signifikanter Faktor für vermehrte Hetze. Aus einer Studie des Forschungszentrums für Menschenrechte der Universität Wien geht hervor, dass ein Drittel aller befragten Mädchen und Frauen im letzten Jahr mindestens einmal von Gewalt im Internet betroffen waren. 2016 wehren sich vier bekannte österreichische Journalistinnen öffentlich gegen Frauenhass im Netz und machen sichtbar was Frauen in der Öffentlichkeit täglich wiederfährt. Dies löste eine Welle der Solidarität aus und mit Hashtags wie #solidaritystorm oder #aufstehn, wurde sich der Kampagne angeschossen.

 

Fazit

Sowohl in Kenia als auch in Österreich gehören Hass, Diskriminierung und Rassismus in unterschiedlichster Form zum Alltag. Hassreden und Hetze in Kenia führen oft zu physischer Gewalt und Mord. Straffreiheit von Gewalttaten und Victim Blaming im Beispiel der Frauen ist ein großes Problem. Derzeit ist keine Besserung in Sicht, da solchen Taten derzeit wenig entgegen gesetzt wird. In Österreich ist auch eine zunehmende Verrohung der Sprache im Netz zu bemerken. Hier gibt es jedoch zahlreiche Kampagnen und Initiativen, die Aufklärungsarbeit leisten und versuchen so dem Hass im Netz etwas entgegen zu setzen.

Verfasst von Lisa-Marie Hiebl-Rausch, Praktikantin AAI

Reflexion zum Vortrag „Hate Speech – the role of the Internet in Kenya“ am 21. Mai 2019.

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