Mittlerweile haben wir den dichten Wald hinter uns gelassen und uns erschöpft am Flussufer zu einer Pause niedergelassen. Doch Vicky nutzt die Gelegenheit, um uns einen weiteren Megatrugschluss näher zu bringen.
“Nehmt diesen Stein”, sie deutet auf einen Stein nah am Wasser. “Viele Leute sehen Menschen, Länder, Religionen oder Kulturen so in Stein gemeißelt und kaum veränderbar. Wenn ihr euch das nächste Mal dabei ertappt, dass ihr Dinge als unveränderbar betrachtet”, geschickt fügt sie weitere Steine dem Großen hinzu, sodass eine Schildkröte entsteht. „Fragt euch, ob Veränderung nur auf den ersten Blick unsichtbar erscheint.“
Erkennt, dass viele Dinge (Menschen, Länder, Religionen, Kulturen) konstant erscheinen, weil die Veränderung langsam passiert. Doch auch kleine, langsame Veränderungen summieren sich allmählich zu großen Veränderungen.
“Wir sollen quasi eine ‘Wo ist Walter’ 2021 Edition im echten Leben spielen: Finde die Schildkröte!” stellt Samer mit breitem grinsen fest.
“So kann man es auch ausdrücken”, stimmt ihm Vicky amüsiert zu. “ ’Die Schildkröte’ könnt ihr beispielsweise finden in dem ihr euch mit der Generation eurer Großeltern unterhaltet. So wird ganz schnell klar, wie sich Werte über die Zeit verändert haben und das heutzutage nicht alles noch genau so ist wie vor 50 Jahren.”
“Wenn ich mich mit meinen Großeltern unterhalte dann behaupten sie oft ‘Früher war alles besser’”, gibt eines der jüngeren Gruppenmitglieder skeptisch zu Bedenken.
“Das ist ein typischen Phänomen zwischen Generationen”, Vicky nickt ihm wissend zu. “Könnte auch daran liegen, dass heutzutage die Gefahr einer negativen Reizüberflutung besteht. Das bedeutet einfach, dass uns negative Nachrichten viel eher erreichen als positive Nachrichten. Wie wir bereits gehört haben, sind die Nachrichten oft von Negativ-Schlagzeilen dominiert. Wenn sich Dinge verbessern hören wir oft nichts darüber, vor allem wenn es sich dabei um langsame, schrittweise Verbesserungen handelt.”
“Und”, ergänze ich, “wenn wir uns an den Aufmerksamkeitsfilter in unserem Gehirn erinnern: weil wir negatives besser wahrnehmen als positives.”
“Ich sehe schon mein Beispiel mit dem Sand Sieben hat seinen Dienst getan!”, begeistert sich Vicky. “Es stimmt was du sagst: Negatives bleibt wie wir wissen besser hängen als positives. Dabei dürfen wir auch nicht vergessen, dass Journalist*innen auch nur Menschen sind, die oft den gleichen Denkmustern und Fallen folgen wie wir auch.
Deshalb hier mein Tipp an euch:
- Stellt euch bei Negativ-Schlagzeilen die Frage, ob euch gleichwertige positive Nachrichten erreicht hätten.
- Übt euch darin zwischen einem Level (z.B. schlecht) und einer Richtungsveränderung (z.B. besser) zu unterscheiden.
- Überzeugt euch davon, dass Situationen sowohl besser als auch schlecht sein können.”
Hier gehts zum vorherigen Teil und zum nächsten Teil (ab 14.03.22 online) der Geschichte.
Quellen
Rosling H, Rosling O, Rosling Rönnlund A. Factfulness: Ten Reasons We’re Wrong about the World ‐ and Why Things are Better than You Think. London, UK: Hodder Stoughton; 2018.
The Destiny Instinct
The Negativity Instinct