“Eine Frage: Wie sieht es mit der Entwicklung der Weltbevölkerung in Zukunft aus? Wie ist der momentane Trend und was wird erwartet?” Nachdem wir eine Weile schweigend durch den Wald gestapft sind reißt uns Vicky mit dieser Frage aus unseren Gedanken.

“Wir werden immer mehr Menschen auf der Erde. Momentaner Stand: 7.9 Milliarden. Tendenz steigend”, ruft jemand vom Schluslicht nach vorne.  Vicky dreht sich zu uns um: “Und macht euch das Angst? Bzw. was für Probleme ergeben sich eurer Meinung nach daraus?”

Die Gruppe kommt zum Halt und die Person von eben antwortet “Naja, wir werden zu viele. Theres only so much the earth can take. Ressourcen werden knapp und – ” “und es reicht nicht für alle?”, vervollständigt Vicky den Satz. “Das wolltest du doch sagen?” Zustimmendes Nicken.

“Wir Menschen tendieren dazu uns Entwicklungen in der Zukunft als kontinuierlich vorzustellen”, fährt Vicky fort.Graphisch gesehen bedeutet das, eine bisher gerade Linie intuitiv genau so fortzusetzen: geradlinig und proportional.”


„Black-capped Squirrel Monkey“ von Lanzen  (lizensiert: CC BY-NC-SA 2.0)

Mein Blick fällt auf ein Totenkopfäffchen, das sich geschickt an einer Liane entlanghangelt. Menschen haben ein Faible für Proportionen, denke ich.

“Tatsächlich sind Veränderungen selten geradlinig. UN Statistiker*innen postulieren, dass sich die Weltbevölkerung zwischen 2060 und 2100 bei etwa 11 Milliarden einpendeln wird.”1 “Wieso das denn?”, kommt überrascht von der Gruppe zurück. “Hauptgrund ist der Rückgang von Armut, der eng mit dem Rückgang der Geburtenrate verknüpft ist, denn Kinder werden nicht mehr als Altersvorsorge gebraucht. Bildung und Verhütung tragen auch ihren Teil dazu bei.”

“Apropo Rückgang von Armut”, schalte ich mich an Vicky gewandt ein. “Du meintest am Anfang unserer Reise, dass sich der Anteil der Weltbevölkerung, der in extremer Armut lebt, beinahe halbiert hat. Anhand welcher Werte ist man zu diesem Rückschluss gekommen?”
“Anhand der jeweiligen Einkommen der Länder, dem Bruttoinlandsprodukt pro Person.” 2

“Das bedeutet, der Reichtum eines Landes wurde anhand des Durchschnittseinkommens errechnet, richtig?” Sie nickt zustimmend. “Mir ist gerade aufgefallen”, denke ich laut weiter, “dass das womöglich eine verzerrte Realität widerspiegelt”. Vicky und die Gruppe schauen mich erwartungsvoll mit hochgezogenen Augenbrauen an also spinne ich den Gedanken weiter.

“Naja, Einkommen ist bekannterweise ungleich innerhalb der Länder verteilt – wie wir auch vorhin beim Instinkt der Kluft und den Einkommensbergen gesehen haben. Wenn man alle Einkommen eines Landes in einen Topf schmeißt und daraus den Durchschnitt berechnet, dann beeinflussen auch die ganz kleinen und die ganz großen Einkommenswerte den Durchschnittswert. Solche Werte nennt man in der Statistik ‘Ausreißer’ und weil sie zu Verzerrungen führen schließt man sie bei Berechnungen oft aus. In unserem Fall: die top 1% der Verdiener*innen in einem Land ziehen das Durchschnittseinkommen nach oben, sodass es keine gute Repräsentation für die Mehrheit der Bevölkerung mehr darstellt.”

Nach kurzer Überlegung erwidert sie „Das stimmt schon, Durchschnittswerte können täuschen, weil sie eine Streuung in einer einzigen Zahl verstecken.“ „Die Frage ist“, fährt sie zögerlich fort, „wie macht man es besser? Wir können anerkennen, dass wir momentan noch keine Erfassung und Berechnung dieser Daten haben, die von Limitationen ausgeschlossen sind. Wie ich bereits erwähnt habe: Statistiken mit einem kritischen Blick zu betrachten ist, worauf es ankommt. Genau solche Fragen zu stellen. Nachverfolgen was gerechnet wurde bevor man dem Rückschluss der Daten glaubt. Andererseits aber auch: Beurteilungsgerechtigkeit walten lassen.“

Hier gehts zum vorherigen Teil und zum nachfolgenden Teil (ab 07.03.22 online) der Geschichte.

Quellen:

1 https://www.gapminder.org/topics/population-forecasts/

2 https://bit.ly/3d57NJH

Rosling H, Rosling O, Rosling Rönnlund A. Factfulness: Ten Reasons We’re Wrong about the World ‐ and Why Things are Better than You Think. London, UK: Hodder Stoughton; 2018.

The Straight Line Instinct

Beitragsbild: Bild von WikiImages auf Pixabay

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